Ich fotografiere nicht
Kirschblüten im Frühling
Gewiss sehe ich sie wieder
Im nächsten Jahr
Aber was
Wenn nicht.
Ich fotografiere nicht
Kirschblüten im Frühling
Gewiss sehe ich sie wieder
Im nächsten Jahr
Aber was
Wenn nicht.
In einem Park zwischen Problemviertel und Kleinbürgerlichkeit saßen zwei alte Menschen, die sich mit zusammengesteckten Köpfen Zigaretten anzündeten. „Scheiß Junkies“, habe ich gesagt. Sie haben es nicht verstanden.
Letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit einer Frau Anfang 40. Sie war der Überzeugung, dass die „wahren Werte langsam verloren“ gehen. Nachdem sie das gesagt hatte, habe ich vor ihre Füße gekotzt. „Das macht man nicht!“, rief sie. „Wahre Werte sind eine Machtmaschine, die dir das einredet“, antwortete ich stückig.
Traumlos erwacht mit
Geschlossenen Augen und
Krustensinnen
Sie gossen mir Mist
In den Hals verkorkten
Die Atmung am Tag
Nachts
Befragte ich das
Sogenannte Leben
Wie hälst du mich?
In der Fluchtlinie deines Zuhauses und eines nahegelegenen Lidls befindet sich ein kleines Bordell. Du hast dich schon häufig gefragt, warum man die Sexarbeiterinnen nie zu Gesicht bekommt. Die Antwort ist vermutlich ganz einfach: Sie sehen in ihrem Alltag aus, wie alle anderen Menschen auch. Heute jedoch war die Ausnahme. Aus dem Gebäude des Bordells ging eine gut, aber gezielt unbetont gekleidete Dame Richtung Discounter, um etwas einzukaufen. Durch die dunkle Sonnenbrille schienen sehr lange, gemachte Wimpern. Die Sonnenbrille saß auf erhöhten Wangenknochen. Stark aufgespritzte Lippen waren mit Lipgloss benetzt. Unter der Baseballcap drang wallendes, gefärbtes Blond. Der weite Pullover hatte Schwierigkeiten, die immens großen Silikonbrüste zu verdecken. Der dünne Mantel legte sich auf einen Brasilianbutt. An dieser Person war alles vergrößert, versetzt oder entfernt, was sich mit chirurgischen Mitteln machen ließ, mit dem Ziel, perfekte Gleichförmigkeit zu erreichen, mit dem Ziel, ideal übersteigerte Fortpflanzungsbedingungen zu mimen; kurz: fuckability auf ein Extrem zu steigern. Sie war durch und durch künstlich. Ein Kunstprodukt einer gänzlich kultivierten Gesellschaft. Kult – Kultur – kultiviert – Kunst. Alles ein Symptomverband. Sie ist die Ikone dieses Zusammenhangs und opfert viel dafür. Sie setzt ihre körperliche Unversehrtheit aufs Spiel. Sie schränkt sich in ihrer Beweglichkeit ein. Sie zahlt viel Geld und Zeit für die Operationen und die Genesung. Ein leuchtendes Symbol unserer Kultur in einem schattigen Bereich unseres Oikos.
Mit meinem Hörstück Substanz darf ich mich zu den diesjährigen Preisträgerinnen des Berliner Hörspielfestivals zählen! Zusammen mit Moritz Hanfgarn (Eine Landschaft der geneigten Köpfe) teile ich mir den dritten Platz um das kurze brennende Mikro. Ich freue mich mordsmäßig und möchte allen, die dieses Festival möglich gemacht haben — auch allen Zuhörerinnen — danken.
Die Festivalmitschnitte sind hier zu finden:
Das Berliner Hörspielfestival startet heute am 2.9. und lässt sich sowohl im Radio (DAB+: DLF Kultur Dokumente und Debatten) und im Live-stream auf der Website des Berliner Hörspielfestivals verfolgen. Das Rahmenprogramm ist ebenfalls dort zu finden. Meine Kategorie beginnt am 3.9. um 17:15 Uhr. Ich bin schon gespannt!
Liebe Leserschaft,
Am 1.9. um 09:00 Uhr ist die Premiere des Trailers zu meinem Hörstück Substanz auf dem Youtube-Kanal des Berliner Hörspielfestivals. Ein paar Eindrücke kurz vor der Premiere am 3.9. Hoffe, es verwirrt.
Es beschleicht mich eine Furcht, dass alles, was Zusammenhänge erklärt, alles, was die uns umgebende Welt besser verständlich macht, kapitalistisch ausgebeutet und abgegriffen werden wird. Deshalb soll meine Philosophie nichts erklären. Sie soll eine Verunsicherungspraxis sein und erschaffen.
Ich würde gerne eine Sprache sprechen, die immun ist gegen eine kapitalistische Vereinnahmung und infolge eine Abschleifung. Ich denke an Walter Benjamin, der sich für seine Begrifflichkeiten erhofft hatte, sie seien für den Faschismus untauglich (Walter Benjamin: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit“).