Zur documenta fifteen hat das Kunstkollektiv La Intermundial Holobiente um die Künstlerin Claudia Fontes, die Philosophin Paula Fleisner und den Schriftsteller Pablo Martín Ruiz versucht, einem Komposthaufen zu seinem Gehör zu verhelfen. Es legte sich beim Betreten von Seiten der Orangerie ein Theaterschein auf den Ausblick. Zum leichten Windzug waberte ein gigantisches, pointilistisches Transparent – und es war tatsächlich blickdurchlässig – mit dem Motiv des Anblicks auf den Ausblick. Es überlagerte ihn. Eine Wiederholung des Sichtbaren, dass das Besehene ständig veränderte. Es war an zwei Wetterballons und mehreren Erdhaken befestigt und dem Spiel des Windes ausgeliefert, jedoch träge. So träge sich die schweren mit Helium befüllten Wetterballons von der Luft bewegen ließen. Jede kleine Bewegung war eine Mikro-Wiederholung und plötzlich sah nichts mehr so aus, wie es zuvor war. Haben die Bäume und ihr imaginiertes Abbild ihre eigenen Fragen gestellt? Das sind die Holobiente. Alle Wesenheiten, auch die imaginären und bündnishaften, reagieren und fragen in Zwischenwelten hinein. Ein Projekt gegen den Anthropozentrismus.
In der Kassler Karlsaue besteht dieser große Sammelplatz für allerlei Garten- und Holzabfälle, die bei der Parkpflege anfallen. Es lohnt sich bestimmt, ihm zuzuhören, diesem großen Organismus, dessen Bewusstsein sich aus allen Prozessen und Organen zusammensetzt, die ihn ohne höheres Wesensprinzip bevölkern. Nicht anders als beim Menschen und doch grundverschieden. Wir wissen nicht, was es bedeutet, ein Komposthaufen in einer vormaligen Auenlandschaft zu sein; wir kennen nur die menschliche Artikulation aus Gesten, Mimiken und Sprache. Der Ausweg aus dieser Zentralstellung ist die Phantasie, die Vorstellungskraft für die Fragen und Aussagen des Nicht-menschlichen. Den Anthropozentrismus zu überwinden geht nur mit Kunst.