Dirk: Sacki?

Miroslaw: Dark?

Umarmung, herzlich.

M: Natürlich treffen wir uns hier! Ist doch unglaublich, dass sich die nochmal für eine Welttourne vereint haben!

D: Ich konnte es auch gar nicht fassen! Hab mir natürlich gleich n Ticket rausgelassen.

M: Ich auch! Sofort an die Bandraumzeit gedacht.

D: Ja, das war einfach viel zu geil! Wenn wir nicht geprobt haben, haben wir gesoffen und die gehört. Hab das so vermisst, nachdem ich weggezogen bin.

M: Wszystko ma swój koniec, tylko kiełbasa ma dwa!

D: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei!

Gelächter.

D: Du warst einfach der geilste Drummer! Ich dachte immer, du – ja, keine Ahnung. Machst halt das.

M: Ja, ich hatte noch n paar Projekte. So Porngrind, Prog Death, aber hat sich alles verlaufen.

D: Ja, schade! – Du hast doch dann Informatik studiert, gell?

M: Ja genau. Das hat mir auch vor allem die letzten Jahre richtig Spaß gemacht!

D: Seit wann bist du fertig?

M: Na so seit 3, 4 Jahren.

D: Und dann?

M: Ja, ich hab ja im Studium echt auch gebummelt, viel links und rechts geschaut, musste ja auch Kohle verdienen, wegen – ja du weißt schon…

D: Jaja, ich habs mitbekommen. Richtig mies…

M: Genau, aber dann hats mich halt voll gepackt, so auf fachlicher Ebene, verstehst du?

D: Na klar! Hätte nicht meinen Scheiß gemacht, wenn ich das nicht fühlen würde…

M: Eben! Und dann war ich fertig, hab auch gleich n Job gefunden.

D: Als Informatiker nicht so schwer, oder?

M: Ne, keine Ahnung, wahrscheinlich nicht. Ja und das mach ich jetzt seit dem, drei Jahre oder so.

D: Und was machst du da?

M: Ach, irgend n Bullshit, für den man mir n Haufen Kohle schenkt.

D: Wie man schenkt dir Geld?

M: Na das hab ich doch nicht verdient, erarbeitet, verstehst du? Niemand hat so viel Geld verdient. Ich bekomm es einfach aus irgendwelchen Gründen.

Kurzes Schweigen.

M: Weißt du, Dark – das klingt komisch, aber seitdem hab ich eigentlich keine Perspektive mehr. Keine Vision oder irgendwelche Ziele. Irgendwie wars das. – Deshalb kokse ich jetzt.

M: Willst du?

Leute haben einen Lieblingsstreamingdienst, aber keinen Lieblingsapfel. Gibt im Supermarkt eh nur zwei: rot oder grün.

Gestreute Radiokommentare

Eine Unternehmerin habe keine Lust auf ihrer Meinung nach faule Gen Z Praktikanten und Praktikantinnen. Ein früherer Lehrer hat 2009 mal zu uns gesagt, wir seien die am besten an den Arbeitsmarkt angepassten und gleichzeitig ängstlichsten jungen Leute der Arbeitsgeschichte. Soziologen würden schon auf einen Umschwung warten. Die Unternehmerin war der Auffassung, die Gen Z sei einfach zu satt. Worüber sie sich eigentlich beschwert ist, dass sie keine Angst mehr haben – außer vor zu wenig Leben. Und dafür feiere ich die sogenannte Gen Z!

Kurierprotokolle X

Krankenhäuser gehören nicht zu meinen üblichen Aufenthaltsorten. Was ist die Funktion dieser Orte? Auf den Alarmknöpfen sind noch immer Klosterschwestern abgebildet: kleine Piktogramme von guten Christinnen. Die Zeit, in der Kranke und Krüppel Katalysatoren guten Christentums waren, sind hier vorbei. Heute sind wir Patienten und die Nonnen sind ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger. Und sie verdienen Geld. Manche private Krankenhausunternehmen sind börsennotiert. Damit werden Patienten zur Ressource, einem zerfallenden Rohstoff, an dessen Erhalt Geld verdient wird. Das individuelle Leben kann nicht erhalten werden, der Übergang von lebender zu nicht-lebender respektive toter Materie steht jedem für sich bevor. Was nach einem Ende klingt und dem Scheitern jeder krankenhäuslichen Erfolgsgeschichte, ist ein Fluss, an dem alle Akteure teilhaben. Gemeinsam fließen, so lange und ungestüm, wie es geht, ist mein Ziel. – und die nächsten Drogen nehme ich zum Spaß und nicht für eine Anästhesie.

Kurierprotokolle #1

Ist Urbanität eine Lebensform oder Parzellierung des Zusammenlebens bis zur Vereinzelung? Was verbindet die BewohnerInnen einer Stadt ganz südlich mit den BewohnerInnen ganz nördlich? Diese Frage hat sich mir aufgedrängt, als ich von Neuperlach im Südosten nach Moosach im Nordwesten Münchens gefahren bin. Ich saß dort an einem Brunnen, nachdem ein Autofahrer gefährlich nah an mich heran fahren musste, um mich zu beleidigen. Drei Bauarbeiter schuffteten in der Hitze. Ein älteres Paar aß am Brunnen. Einige standen an der Tram-Haltestelle. Eigentlich hatte nichts mit nichts zu tun. Jeder und jede für sich, waren mit beiden Beinen dort verortet, wo sie sich befanden. Sie waren keine MünchnerInnen – in diesem Moment waren sie bloß Bipedisten.

Heute habe ich mir ein Sigel geschaffen. Ich war ergriffen. Morgen werde ich gehen.

Ich betrachte Portraitphotographien von Fremden im Internet. Ich schaue ihnen tief in die Augen, ohne dass sie es wissen; fahre ihnen durch das Haar, berühre ihre Lippen. Nicht einmal die Algorithmen wissen von unserer Intimität. Gestern habe ich mich in eines dieser Photographien verliebt. Ich hielt es mir besonders lange vor Augen. Es war das Absterben dieses Lebens, der Sinn ihrer Entropie, den ich aufspüren wollte.

Heute Morgen wachte ich auf, schaute auf das Handy. Da war es, dieses Gesicht, überzogen von Zellen, Keimen und Faszination und Liebe. Ich fand heraus, dass es ein KI-generiertes Gesicht war. Ein Gesicht, erzeugt aus Mustern von milliarden Gesichtern. Ich verstand.

Ich arbeite mit Obdachlosen und Drogensüchtigen zusammen. Das gibt meinem Leben Struktur, Stabilität und ein regelmäßiges Einkommen.

Ich fotografiere nicht
Kirschblüten im Frühling


Gewiss sehe ich sie wieder
Im nächsten Jahr


Aber was
Wenn nicht.

Traumlos erwacht mit
Geschlossenen Augen und
Krustensinnen


Sie gossen mir Mist
In den Hals verkorkten
Die Atmung am Tag


Nachts
Befragte ich das
Sogenannte Leben


Wie hälst du mich?