Heute haben wieder einmal Wirtschaftsliberale im Radio davon erzählt, wie wichtig Kapitalismus für die Vielfalt sei. Schau ich in unsere Innenstädte, sehe ich hingegen immer die gleichen Ketten. Kapitalismus steht nicht für Vielfalt. Kapitalismus steht für McDonalds: globale Einfalt.

„… dass er eine Kneipe aufmacht und sich tot trinkt. I don’t feel it.“ Ich weiß nicht, über wen sie am Telephon in der Ubahn gesprochen hat. Aber ich würde ihn gern kennenlernen. I feel it.

Ich habe eine Werbung gesehen, in der eine junge Frau an einer langen Email verzweifelt. Sie öffnet sie, beginnt zu scrollen und ihr Gesicht verdunkelt sich. Doch zum Glück hat ihr Mailingprogramm eine intelligente Taste, mit der sie diese Schreckensnachricht automatisiert zusammenfassen lassen kann. Sie lächelt.

In den 90ern hat sich die Eltern und Großelterngeneration darüber aufgeregt, dass wir nicht mehr in selbem Maße Kopfrechnen konnten wie sie. Schlimm? Nicht wirklich.

Doch was passiert, wenn wir bald unsere Sprache verlieren, weil intelligente Geräte das übernehmen?

-Was soll ich graben, wo die Erde flach ist?

-Aber die Erde ist rund.

-Dann bleibt nur im Kreis laufen.

Ich habe mein bisheriges Leben viel Zeit damit verbracht, mir Gedanken über Sprache zu machen – in Philosophie, Kunst und außerhalb davon. Doch seit Monaten schleicht sich etwas ein. Ein Gefühl oder ein Bedürfnis, ich kann es nicht genau verorten. Es entsteht durch den Eindruck, dass wir uns alle gegen Sprache immun machen müssen. Ihre Kraft wird ausgebeutet. Sie ist ein Marketinginstrument, dass sich in unsere Seele frisst und sie verdirbt. Der derzeitige Wahlkampf ist bester Bürge dafür. Nichts von dem, was auf der ungezählten Wahlkampfwerbung steht, hat irgendeine Bedeutung, aber wirkt psychologisch. Wie können wir die Sprache noch retten? Ich bin sie Leid. Und dass mir von der Nutzeroberfläche meiner Wucherungen angeboten wird, die Texte mit KI verfassen zu lassen, gibt mir den Rest…

Die Welt mag ich nur bei Nacht. Nein, sie ist dabei nicht friedlicher. Und ob sie gefährlicher ist, bezweifle ich. Aber sie ist genügsam. Die Nacht will nichts von dir, nur der Tag ist gierig. Der Tag stellt Anforderungen an dich. Menschen, die noch etwas Wichtiges von dir benötigen, rufen an. Du musst noch dringend etwas einkaufen. Doch vorher musst du noch zu deinem Arzttermin.

Die Nacht gehört den Mondsüchtigen. Sie wandeln, verrichten Tätigkeiten, aber ohne etwas damit erreichen zu wollen oder zu müssen. Sie interagieren miteinander aus reiner Lust oder reinem Trieb. Im Lunatismus darf die Sinnlichkeit Raum einnehmen, weil sie keinen Zwecken dient. Der Sinn des Lebens entfaltet sich im engeren Sinne erst zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Alles andere ist Arbeit.

Ich habe einen Sale gemacht

Du nicht

Ich habe einen Sale gemacht

Und du nicht

Sales Manager

Höchstens Vertrieblerin unsere

Starken Marken leiden trotz

Der hohen Marge mehrerer

Hundert Prozent du

Opfer du

Basic Hartz IV Bitch

Ein Wachstumsmarkt schrumpft

Unter dir

Meine Stores schwellen

Wie harte Glieder

Drei Uhr. Ich schlafe nicht. Denn ich bin krank. Ich bin arbeitsunfähig. Arbeiten deprimiert mich. Arbeiten ist inspirationslos, leblos, in einem kapitalistischen Zusammenhang. Ich bin arbeitsuntüchtig. Würde mich ein Therapeut aufnehmen? Mich behandeln, gezahlt von gesetzlich erhobenen Geldern? Der Leidensdruck ist authentisch. Würde ich eine kognitive Verhaltenstherapie beginnen, in der ich arbeitsmarktkonforme Denkmuster entwickeln sollte und fit für den Arbeitsmarkt gemacht würde und mich unter die Arbeiter mischen dürfte? Ich könnte ja einer Gewerkschaft beitreten und Dinge verbessern, damit alle gerne arbeiten. Arbeit raubt mir mein Dasein. Cogito, sum. Was wenn ein Gedanke zwei Tage benötigt? Er wird notwendigerweise von einem Arbeitstag vernichtet. Bin ich krank? Oder bin ich gestört? — Oder gibt es keine Legasthenie, wenn es keine Rechtschreibung gibt?

Beende folgenden Satz

Wenn einem die Erhöhung des Flaschenpfands als größtes, erreichbares, soziales Ziel erscheint, dann…

Nach 6 Jahren in der Arbeitswelt muss ich meinen Optimismus begraben:

Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.

Was das für mich bedeutet, weiß ich noch nicht. Aber müde bin ich.