„… dass er eine Kneipe aufmacht und sich tot trinkt. I don’t feel it.“ Ich weiß nicht, über wen sie am Telephon in der Ubahn gesprochen hat. Aber ich würde ihn gern kennenlernen. I feel it.
Schlagwort: Arbeit
Die Welt mag ich nur bei Nacht. Nein, sie ist dabei nicht friedlicher. Und ob sie gefährlicher ist, bezweifle ich. Aber sie ist genügsam. Die Nacht will nichts von dir, nur der Tag ist gierig. Der Tag stellt Anforderungen an dich. Menschen, die noch etwas Wichtiges von dir benötigen, rufen an. Du musst noch dringend etwas einkaufen. Doch vorher musst du noch zu deinem Arzttermin.
Die Nacht gehört den Mondsüchtigen. Sie wandeln, verrichten Tätigkeiten, aber ohne etwas damit erreichen zu wollen oder zu müssen. Sie interagieren miteinander aus reiner Lust oder reinem Trieb. Im Lunatismus darf die Sinnlichkeit Raum einnehmen, weil sie keinen Zwecken dient. Der Sinn des Lebens entfaltet sich im engeren Sinne erst zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Alles andere ist Arbeit.
Ich habe einen Sale gemacht
Du nicht
Ich habe einen Sale gemacht
Und du nicht
Sales Manager
Höchstens Vertrieblerin unsere
Starken Marken leiden trotz
Der hohen Marge mehrerer
Hundert Prozent du
Opfer du
Basic Hartz IV Bitch
Ein Wachstumsmarkt schrumpft
Unter dir
Meine Stores schwellen
Wie harte Glieder
Dirk: Sacki?
Miroslaw: Dark?
Umarmung, herzlich.
M: Natürlich treffen wir uns hier! Ist doch unglaublich, dass sich die nochmal für eine Welttourne vereint haben!
D: Ich konnte es auch gar nicht fassen! Hab mir natürlich gleich n Ticket rausgelassen.
M: Ich auch! Sofort an die Bandraumzeit gedacht.
D: Ja, das war einfach viel zu geil! Wenn wir nicht geprobt haben, haben wir gesoffen und die gehört. Hab das so vermisst, nachdem ich weggezogen bin.
M: Wszystko ma swój koniec, tylko kiełbasa ma dwa!
D: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei!
Gelächter.
D: Du warst einfach der geilste Drummer! Ich dachte immer, du – ja, keine Ahnung. Machst halt das.
M: Ja, ich hatte noch n paar Projekte. So Porngrind, Prog Death, aber hat sich alles verlaufen.
D: Ja, schade! – Du hast doch dann Informatik studiert, gell?
M: Ja genau. Das hat mir auch vor allem die letzten Jahre richtig Spaß gemacht!
D: Seit wann bist du fertig?
M: Na so seit 3, 4 Jahren.
D: Und dann?
M: Ja, ich hab ja im Studium echt auch gebummelt, viel links und rechts geschaut, musste ja auch Kohle verdienen, wegen – ja du weißt schon…
D: Jaja, ich habs mitbekommen. Richtig mies…
M: Genau, aber dann hats mich halt voll gepackt, so auf fachlicher Ebene, verstehst du?
D: Na klar! Hätte nicht meinen Scheiß gemacht, wenn ich das nicht fühlen würde…
M: Eben! Und dann war ich fertig, hab auch gleich n Job gefunden.
D: Als Informatiker nicht so schwer, oder?
M: Ne, keine Ahnung, wahrscheinlich nicht. Ja und das mach ich jetzt seit dem, drei Jahre oder so.
D: Und was machst du da?
M: Ach, irgend n Bullshit, für den man mir n Haufen Kohle schenkt.
D: Wie man schenkt dir Geld?
M: Na das hab ich doch nicht verdient, erarbeitet, verstehst du? Niemand hat so viel Geld verdient. Ich bekomm es einfach aus irgendwelchen Gründen.
Kurzes Schweigen.
M: Weißt du, Dark – das klingt komisch, aber seitdem hab ich eigentlich keine Perspektive mehr. Keine Vision oder irgendwelche Ziele. Irgendwie wars das. – Deshalb kokse ich jetzt.
–
M: Willst du?
Ich weiß auch nicht. Das Problem ist, dass ich nicht wirklich meine Stärken ausspielen kann.
Was sind denn deine Stärken?
Träumen. Darin bin ich ungeschlagen in meiner Altersklasse.
Drei Uhr. Ich schlafe nicht. Denn ich bin krank. Ich bin arbeitsunfähig. Arbeiten deprimiert mich. Arbeiten ist inspirationslos, leblos, in einem kapitalistischen Zusammenhang. Ich bin arbeitsuntüchtig. Würde mich ein Therapeut aufnehmen? Mich behandeln, gezahlt von gesetzlich erhobenen Geldern? Der Leidensdruck ist authentisch. Würde ich eine kognitive Verhaltenstherapie beginnen, in der ich arbeitsmarktkonforme Denkmuster entwickeln sollte und fit für den Arbeitsmarkt gemacht würde und mich unter die Arbeiter mischen dürfte? Ich könnte ja einer Gewerkschaft beitreten und Dinge verbessern, damit alle gerne arbeiten. Arbeit raubt mir mein Dasein. Cogito, sum. Was wenn ein Gedanke zwei Tage benötigt? Er wird notwendigerweise von einem Arbeitstag vernichtet. Bin ich krank? Oder bin ich gestört? — Oder gibt es keine Legasthenie, wenn es keine Rechtschreibung gibt?
Nach 6 Jahren in der Arbeitswelt muss ich meinen Optimismus begraben:
Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.
Was das für mich bedeutet, weiß ich noch nicht. Aber müde bin ich.
Ich sitze im Zug von München nach Augsburg. 08:30 an einem Mittwoch. Gerade ist der Gegenzug aus Augsburg auf der anderen Seite angekommen. Hunderte, gefühlte eintausend Menschen strömen an meinem Fenster vorbei und drücken in die Millionenstadt. So viel Energie! Was sie gemeinsam alles erreichen könnten!
Stattdessen sehen sie schick aus und gehen in ihre klimatisierten Büros, Sachen tippen, Scheiß verkaufen, Unternehmensstrategien diskutieren, Verpackungen entwerfen und meetings absitzen; sich sicher fühlen in ihrer Existenz.
Ich werde das Gleiche in Augsburg tun – mit einem Unterschied
Ich verbringe heute den Tag damit, zuzusehen, wie Menschen einen Kran errichten. Damit ist es besiegelt.
Seit ich wieder arbeite, verwahrlose ich innerlich.